Kätzchengeschichten aus Kazaviti

Das große Katzenelend

Das Dorf Kazaviti auf der Insel Thassos im Norden der Ägäis wird im Herbst fast gänzlich verlassen. Einheimische und Sommergäste lassen dann mehr oder weniger bedenkenlos all die vielen Katzen ohne Versorgung zurück (photo # 17). Es beginnt ein unerträgliches, doch kaum beachtetes Martyrium, Die Tiere hungern nicht nur, es breiten sich auch Krankheiten aus; Jahr für Jahr geht die Katzengrippe um – sie bedeutet für jüngere Tiere häufig den Tod ( photo # 26). Und Jahr für Jahr, seit das Dorf wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwacht ist und im Sommer wieder bewohnt wird, vergrößert sich das Leiden der Tiere. Es werden immer mehr Katzen (trotz der Todesfälle). Das kümmert die Leute wenig. Und wer ist bereit, dafür Geld für eine Geburtenkontrolle auszugeben… Noch schlimmer: die auch im Winter hier ausharren und sich der Katzen annehmen, werden deswegen angefeindet. Sollen die Katzen doch verenden! Es sind ja viel zu viele! Doch warum sind es so unkontrolliert viele geworden? Weil die hier ganz oder zeitweise wohnhaften Menschen die Voraussetzungen für das Elend geschaffen haben, keineswegs die armen betroffenen Katzen. Die vermehren sich weiter, wie sollte es anders sein.

Auch Katzen brauchen mehr als einen Topf voll Fertigfutter

Jetzt im Oktober 2010 versorge ich bereits 30 adoptierte Katzen und es werden immer mehr. Ich fürchte, den Grenzen meiner Möglichkeiten nahe zu kommen. Es sei betont, dass ich damit nicht zur weiteren Vermehrung beitrage, sondern bereits geborenen Katzen ein Leben ermögliche, soweit es die Umstände zulassen. Ich kann allerdings (noch) nicht verhindern, dass sich auch „meine“ Katzen fortpflanzen. Dazu reichen meine Mittel nicht aus (siehe weiter unten CAT AID KAZAVITI). Seit über einem Jahr steige ich jeden Tag zweimal zu den weit verteilten Futterstellen hoch (photo # 1); unser Dorf liegt an einem Bergabhang und die Wege sind steil. Auch den Sommer über habe ich „meine“ Tiere versorgt, damit sie nicht auf den Dorfplatz kommen um zu betteln. Jedes Mal werde ich als die vertraute Bezugsperson begrüßt und jedes mal bin ich berührt von der Anhänglichkeit all der versorgten Tiere; wenn ich rufe kommen sie aus ihren Schlupfwinkeln und folgen meinen Schritten. Mache ich eine Rastpause, machen auch sie halt, umstreichen meine Beine, schmiegen sich an und schnurren, legen sich im nahen Umkreis auf den Weg; es wird deutlich, dass nicht das Futter das vorrangige Motiv ist, sondern eine enge persönliche Beziehung. Ich bin die einzige Bezugsperson, die ihre Zuneigung erwidert, bzw. erwidern kann, denn vor fremden Leuten laufen sie weg. Erstaunt bin ich immer wieder, wie sehr sich Katzen in ihrem Wesen voneinander unterscheiden.

Ständige Ängste um die Sicherheit – auch Muz mußte sterben

Aber ich mache mir auch große Sorgen: sind alle gekommen, fehlt keine? Immer wieder bleibt eine fern, ist irgendwo im Dorf unterwegs – kommt sie wieder, bin ich sehr erleichtert. Doch drei erwachsene über viele Monate Tag um Tag versorgte Kätzchen sind seit so langer Zeit verschwunden, dass ich annehmen musste, sie leben nicht mehr…(photos # 2 – # 4). Bis dann nach fünf  Monaten, am 14. November 2010, der weiß/goldgelbe Kater (photo # 2) gänzlich verstört und verängstigt an der Futterstelle erschien – und dann wieder verschwand. Ich habe mehr als nur Vermutungen was geschehen ist…Alle drei sind/waren gänzlich zahme, vertrauensvolle, erwachsene Katzen.

In Kazaviti werden Katzen erschlagen, vergiftet, erschossen, von Hunden verfolgt und eingesperrt. Mein eigenes, im Haus aufgezogenes, viel geliebtes Katerchen Muz musste an Gift elendiglich sterben, noch jetzt, fast zwei Jahre danach spüre ich das letzte Zittern seines vergifteten Körpers in meinen (hilflosen) Händen; Muz war gerade erst ein Jahr alt geworden (photos # 5, 6).

Ärztliche Hilfe

Der sehr hilfsbereiteTierarzt aus Kavala kam im vergangenen Winter auch bei Schnee und Eis hoch nach Kazaviti, um zu impfen und bereits erkrankte jüngere Tiere mit Antibiotika zu behandeln, wenn sie bereits die Symptome einer Infektion mit Katzengrippe äußerten: Teilnahmslosigkeit während der Fütterung vor allem. Das Problem war, dass sich die meisten nur einmal einfangen ließen. Ich mußte vier begraben…. Anderen, die auch bereits sehr krank waren, konnten wir aber mit den Injektionen helfen und sie sind inzwischen zu sehr stattlichen Katzen herangewachsen (photos # 7, 8).

Muzi, das Glückskätzchen

Nach dem Verlust von Muz hatte ich ein halbes Jahr lang keine Katze im Haus. Dann, im Juli 2009 begegnete mir Muzi das Glückskätzchen (photos # 9, 10)): es lief auf der Straße in Prinos unten an der Küste direkt direkt auf mich zu, noch winzig klein. Und rief so laut es nur konnte: nimm mich mit… Etwas verdünnnte Kondenzmilch in einem Plastikbecher, dann in einem Karton die Autofahrt nach Kazaviti – in die neue Heimat. Hündchen war lieb und ließ es unbehelligt. – und seither hat Muzi ihr eigenes Zuhause. Das eine Auge war zugequollen, nach Behandlung mit Bepanthensalbe öffnete es sich aber bald. Kein anderes Kätzchen weit und breit hat so seidiges, langes Haar, einen so buschigen Schwanz; Muzi entwickelte sich prächtig. Sie spielte zur warmen Jahreszeit mit Hündchen, oder einer Krähenfeder, rannte die Bäume und das Weinspalier rauf und runter, pirschte allerlei Insekten an, die sich im Gras bewegten. Und immer wieder zwischendurch kämmte sie mit ihrer Reibeisenzunge sorgfältig ihr wundervolles, blendend sauberes Haar.(photos # 11 – # 15). Jetzt zur regnerischen Herbstzeit kuschelt sich Muzi gern in einen ausgedienten Wollpullover, dicht neben mir oder auf meinen Knien; liegt ausgestreckt auf dem zugeklappten Laptop. Sie ist trächtig, zum zweiten Mal: der erste Wulf war allerdings eine Tragödie: alle fünf Babies kamen tot zur Welt, waren im Geburtsgang stecken geblieben und mussten ersticken. Diesmal war die Geburt noch schwieriger: Drei tote Babies mußte der Tierarzt in Kavala, Stathis Symeonidis nach Kaiserschnitt entfernen. Inzwischen (geschrieben am 21. November 2010) hat sich Muzi wieder erholt.

Mama und ihre Nachkommen – Mord an zwei Enkelkindern

Die ersten Katzen um die ich mich im vorletzten Jahr kümmerte, waren ein Dreierwurf. Immer noch erwartet mich Tag für Tag die Mama, sie ist eine ganz schlanke und zierliche, wenn sie nicht wieder trächtig ist. Von den Dreien leben noch zwei; über den verschollenen Kater mit goldgelbem Sattelfleck auf weißem Fell habe ich schon weiter oben berichtet (photo # 4). Auch sein überlebender Bruder hat goldgelbe Flecken, er ist so anhänglich wie sein grau gestromtes Geschwister von dem ich irrtümlich annahm es sei auch ein Kater – so blieb ihm der Name „Katerchen“. Erst vor kurzem gebar es seinen ersten Wurf. Im Gebüsch eines verwilderten Weingartens hielt es die Neugeboreren versteckt. Vor zwei Tagen, am 13. Oktober 2010 entdeckte ich eine fürchterliche Tragödie, zwei der Babies von Katerchen fand ich zerfetzt und angefressen nur 1.5 Meter entfernt von einer Nestkuhle im Unterwuchs. Dort saß Katerchen, gänzlich verstört. Ein drittes Junges schmiegte sich an sie (photos # 19 – # 22). Über Nacht brachte es die gute Mutter in Sicherheit. Und zu meiner freudigen Erleichterung schleppte sie den Winzling am 17. Oktober 2010 die Treppe hoch auf unseren geschlossen Balkon. Ich baute dort gleich ein noch besser geschütztes Häuschen aus Karton. Bis zum 26. Oktober blieb das noch ganz kleine Kätzchen dort und wurde von der guten Mami Katerchen versorgt (photos # 23, 24) Dann, am 28. Oktober beobachtete ich es vor dem auf der Veranda gestapelten Brennholz. Erst 11 Tage später entdeckte ich das inzwischen deutlich größer gewordene Kätzchen in der starken Herbstsonne vor unwegsamem Gebüsch beim Haus (photos # 27, 28). Es ist sehr scheu. Doch muß ich versuchen, es zu fangen und zu impfen. Erst vorgestern mußte ich wieder eines an Grippe gestorbenes Junges begraben (photo # 26).

Ein Dorf ungestraft böser Willkür

In meine Trauer mischt sich eine ständig weiter wachsende Empörung über die Bluttat – für die laut Fachgutachten nur Hunde infrage kommen. Ein kleiner Hund, der ständig frei im Dorf streunt, war nahe der Stelle (am Weg unterhalb des Weinbergs) gesehen worden. Aber er ist an Katzen gewöhnt. Drei mittelgroße Hunde, die nach unbedachter Bestätigung des holländischen Besitzers tatsächlich Katzen umbringen, werden im Nahbereich der Katzen zwar tags über an der Leine geführt, aber was nachts geschieht kann ich nicht nachprüfen, denn ich wohne – und das weiß natürlich jeder hier – weit entfernt im unteren Dorfbereich. Eine böse Geschichte! Von offizieller Seite ist keine Besserung der Zustände zu erwarten, wen kümmern hier schon zwei, drei Katzenbabies und die anderen Tiere, die auf der Strecke bleiben; davon habe ich ja schon weiter oben geschrieben. Der Hundebesitzer höhnt, dann nimm doch Deine Katzen an die Leine… was soll’s. Und nicht genug damit: er beschwert sich über die Katzenplage: was tun ihm schon die gänzlich friedlichen Tiere an!

Das also ist das wahre Gesicht eines Dorfes, dessen Idylle die Feriengäste begeistert. Ein unbeschreibliches Elend und die fatale Einstellung einiger Weniger, in deren Händen das Schicksal der obdachlosen Katzen von Kazaviti liegt und die all die guten Versuche zunichte machen – so wie es eben allgemein üblich ist.

Am 24. Oktober entdeckte ich am oberen Hinterbein eines seit dem Herbst 2009 versorgten, fast erwachsenen, sehr kräftigen Katers eine blutende Wunde mit deutlichen Einbißstellen (photo # 25). Das konnte nur einer der eben genannten Hunde gewesen sein. Ich wandte mich daraufhin wieder an die Tierschutzvereinigung FOS auf Thassos (25 Oktober, 2010):

Hi Suzanne and fellow animal defenders of FOS,

Further to the horrible pictures sent to you on 15 October (see my website www.eco-communications.net, the article „Kätzchengeschichten aus Kazaviti“), I have to alert you again today because a dog has bitten a terrible wound in the upper hind leg of one of the cats I take care of at Kazaviti since last year (cf. pictures). The place  in the upper part of the village where this happened, is the regular territory of only three larger dogs owned of a Dutch resident couple. At least one of these canines, an African native dog, is a cat killer according to an earlier statement of one of the owners. During their daily walks the owners keep these dogs on a lead. But no efforts were taken as far as we can see, to avoid traumatic incidences as the recent ones illustrated. We insist – if necessary by court order – that these aggressive dogs are being kept permanently in a large enough enclosure as long as they were not trained to leave the cats along their route in peace. There is panic among all resident cats (cf. my article) along these routes. Again today I had to watch from some distance how one of the owners allowed the dogs he held on a lead to harass several cats which were feeding on private ground in the village quarter Konaki. I had just passed that spot and left some food pellets there. I am defending the life of cats here, but I am not in general opposition to dogs at all: I have even written a book on Papuan native dogs that will be published shortly. Thank you for your kind attention and PLEASE help us to sort out this very serious situation. With respectful regards,

Thomas

Dr. Thomas Schultze-Westrum

Kazaviti GR 40 10 Prinos Thasou

Tel: 2593071314 Mobile:6948765298

Der gebissene Kater erhielt am 26. Oktober vom Tierarzt eine Antibioticum Injektion, da sich eine tiefgreifende Entzündung ausbreitete.

Unbeirrt weitermachen, mit dem hochgeschätzten Rückhalt gleichgesinnter, guter Menschen

Was kann trotz all dem unternommen werden? Ohne mich beirren zu lassen, werde ich weiterhin „meine“ 12 Katzen plus einige „Pendler“ im oberen Ortsbereich versorgen und ggf. den Tierarzt zur Hilfe rufen.

Neben meinem Zuhause habe ich in einem unbewohnten, geräumigen Gebäude 7 Katzen einquartiert. Dazu kommen noch jene Einzelgänger, die ich getrennt füttere. Katzen vertragen sich ja untereinander nur in Grenzen. Insgesamt versorge ich, wie schon eingangs erwähnt, tagtäglich etwa 30 Katzen.

Für wie lange Zeit ich das durchstehen kann bleibt allerdings ungewiß.

Zudem werden wir CAT AID KAZAVITI als Sprachrohr nach außen und auch zur Koordinierung der hoffentlich gewährten Hilfe in Aktion setzen. Über Aktuelles, vielleicht ja auch mal gute Nachrichten, werden wir über das Forum zu diesem Artikel berichten

Natürlich freuen wir uns über Antworten, Kommentare, hilfreichen Rat!

So machen wir uns auf den nächsten Winter gefasst. Kazaviti soll ein gutes Bespiel werden, wie die obdachlosen Katzen versorgt werden können. Als erste hat Frau Dina („Taverne Vassilis“) hungernde Katzen die kalte Jahreszeit über gefüttert. Sie tut es weiterhin. Doch ihre Prognose: Alle jungen Kätzchen, soweit nicht geimpft, werden im Winter an Katzengrippe sterben. Am 22. Oktober mußte ich das erste Grippeopfer begraben (photos # 16, # 17, # 18). Die Epidemie begann unerwartet früh. Auch die erste Impfung im Herbst 2010 fand an diesem Tag statt. Bis zum 21. November sind bei Frau Dina etwa 10 und in meinem Dorfbereich mindestens 6 Katzen der Grippe erlegen; es starben auch größere Tiere. Nur wenige der nicht ständig betreuten Tiere lassen sich einfangen zur Impfung oder zur Injektion von Antiotikum.

Im kommenden Jahr werden wir uns nach guten Menschen umsehen, die gewillt sind, zahme Kätzchen in ihre Obhut zu nehmen, und wir sind natürlich auch immer sehr dankbar für Spenden; dann können wir vielleicht bald systematisch erwachsene Katzen durch Eingriffe des Arztes davon abhalten, weitere Würfe zur Welt zu bringen.

Es darf doch auch ein Katzenleben nicht nur aus dem bestehen was das Tier gerade am Leben erhält., damit es nicht verhungert. Auch Katzen haben nur das eine Leben – selbst wenn man sagt, sie hätten sieben insgesamt…Selbst bei meinen ganz persönlich betreuten Katzen muss ich feststellen wie viel weniger sie spielen als mein Kätzchen Muzi – wohlversorgt, sicherlich auch etwas verwöhnt.

Mit wie viel Freude ist diese enge Beziehung verbunden auf meiner Seite! Ist es nicht wunderbar von Tieren anerkannt, ja geschätzt zu werden…

Spender und Helfer, CAT AID KAZAVITI:

Nikolaos Efthymiopoulos, Tierarzt

Stathis A. Symeonidis, Tierarzt

Philippos Papaphilippou, Rechtsanwalt

Xemal („Armando“) Hoxha und seine Leute

Uli und Sabina

Lena Korte

Konrad und Renate Seibold

Michael und Brigitte Köning

Lis Verhoeven

Paul und Alfie Watkins

Rainer und Monika Goedl

Klio Papadopoulou

Barbara Spengler-Axiopoulos


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